Malwina Sosnowski

Violinist

Malwina, Du hast als Geigerin mit dem Deutschen Kammerorchester gespielt, standest auf der Bühne in der Berliner Philharmonie und in der Tonhalle Zürich. Nun sollen es Gärten sein, die Du bespielst – warum?
Die Idee kam mir während der Pandemie. Konzerte fielen aus und ich machte mir Gedanken über den Wert der Musik und was sie ausmacht. Können Digitalkonzerte das transportieren? Oder ist es vielleicht doch die Nahbarkeit? Ich hatte das starke Gefühl, dass Nahbarkeit und die Freiheit, die ein Garten mit sich bringt, zwei wichtige Dinge sind, die ich auch während der Pandemie leben kann und möchte.

Du hast preisgekrönte Soundtracks für verschiedene Filme eingespielt und eine CD mit dem Pianisten Benyamin Nuss aufgenommen, die für Klassik-heute.de CD der Woche war. In Deiner Arbeit sind demnach aber die Live-Auftritte essentiell?
Ja. Das war mir vor der Pandemie gar nicht so klar. Dann gab es einen Wendepunkt, an dem ich das Gefühl hatte: Man muss auch in dieser Zeit etwas bringen, das direkt zu den Menschen spricht. Ich wollte beweisen, dass man als Musikerin und Musiker auch etwas bewegen kann, wenn einem die Hände gebunden scheinen. Ich dachte auch viel an meine polnische Grossmutter, die im Untergrund gekämpft hatte – sie ist eine Inspiration für mich.

Im Nachhinein scheint es logisch, die Gartenkonzerte ins Leben zu rufen: Man ist an der frischen Luft, kann Abstand halten …
… Ja! Und diese Naturverbundenheit hatte ich im Rahmen meiner Hobbies ohnehin schon. Da kam es fast instinktiv, dass ich mir dachte: So viele Menschen haben Gärten, da ist so vieles möglich. Ich hatte sofort Visionen, wie es aussehen könnte. Aus ihnen entsprang die Kraft, die Gartenkonzerte schliesslich aufzubauen.

Das klingt nach künstlerischem Schaffensdrang. Wie betrachtest Du Dein Violinspiel?
Ich habe manchmal das Gefühl, wir Menschen wollen kategorisieren. In der Musik heisst es dann: Das ist Ernste Musik. Ich finde den Begriff schrecklich, die Musik wird dadurch fehlinterpretiert. Ich will ein Zeichen setzen, dass Musik auch Freiheit bedeutet. Und mit der Musikauswahl möchte ich zeigen, dass es möglich ist, für jeden Geschmack etwas zu finden und zugleich professionell zu sein. Die Gartenkonzerte können Menschen klassische Musik näher bringen – Musik, die bewegt, spannend und zeitlos ist. Die Kategorien sollen dabei in den Hintergrund rücken.

Du sagst auch, die Stücke sollten am besten «wie ein unbekanntes Etwas» angeschaut werden, das einen Charakter hat. Das verspricht Neuentdeckungen.
Ja. Aber nicht um des Neuentdeckens Willen, sondern, weil die Stücke etwas transportieren, dass ich den Menschen gerne zeigen möchte. Das Konzept hat drei Pfeiler: Es gibt Ohrwürmer, etwa von Vivaldi oder Bach, ich nehme Neue Musik mit rein und erzähle eine Geschichte dazu und dann hat das Programm auch einen Crossover-Teil, in dem ich vielleicht von Edith Piaf «Non, je ne regrette rien» spiele. Zudem ist es mir wichtig, eine Komponistin im Programm zu haben – denn Frauen sind noch immer selten vertreten.

Jetzt sind die Corona-Massnahmen aufgehoben, die Gartenkonzerte bleiben aber.
Ja, das ist für mich keine Frage. Sie bedeuten mir künstlerische Freiheit. Und die Möglichkeit, weitere Musikerinnen und Interpretinnen anderer Kunstsparten einzubeziehen. Das war mir ein Anliegen und in diesem Jahr kann ich meine Plattform wieder sieben oder acht Künstlerinnen zur Verfügung stellen.

Wie steht es im Garten um die Akustik?
Es ist klar ein nahbares Konzertformat. Ein Garten hat immer eine begrenzte Grösse und wir spielen auch in kleinen Privatgärten, die für diesen Anlass geöffnet werden. Aber wir spielen auch in grossen, herrschaftlichen Gärten und Parkanlagen – an diesen Orten haben wir einen Audiotechniker. Ich war jedoch erstaunt, wie gut schon die Luft des Gartens Musik trägt.

Was sollen Besucherinnen und Besucher nach einem Gartenkonzert mitnehmen?
Den Geruch von Gras, das Gefühl von Sonne auf der Haut, Tango-Klänge und Bachs Genie.

Du spielst seit 1989 Geige. Mit 18 Jahren warst Du schon mit dem Sinfonieorchester Basel als Solistin auf Tournee in China, hast seit dem zahlreiche Länder bespielt und viele Erfolge gefeiert. Wie gelingt es Dir, nach einer so langen Zeit und den zahlreichen Erfahrungen immer wieder einen frischen Zugang zu Deiner Kunst zu finden?
Das ist ein andauernder Prozess. Vor ein paar Jahren begann ich, alles zu hinterfragen. Ich ging dann auf Reisen und habe Musik frei von Zwängen nochmals neu entdeckt. In Brasilien beispielsweise durfte ich Kinder unterrichten, die eine grosse Freude an der Musik lebten. In Indien spielte ich spontan vor vielen Menschen los, ohne grosse Vorbereitung und Absprache. Diese Erfahrungen haben Druck von mir genommen. Heute kann ich Dinge hinterfragen und sie dann auch wieder laufen lassen. Und meine Experimente geben mir Kraft, sie bringen immer wieder einen neuen Wind der Freiheit.

Gab es auf diesen Reisen ein Erlebnis, das Dir besonders in Erinnerung bleiben wird?
Das war, als ich in den USA mal ein Konzert vor Obdachlosen gespielt habe. Dort habe ich am Curtis Institute of Music in Philadelphia studiert und im Rahmen eines Vermittlungskonzerts fragte mich ein Mann, ob mein Instrument nachts neben meinem Bett steht und ob ich ihm einen Namen gegeben habe. Dass er die Verbindung zwischen mir und meinem Instrument so stark spürte, das hat mich berührt.

Heute unterrichtest Du auch. An wen richtet sich Dein Angebot?
Ich habe ein Coaching-Institut gegründet, an dem ich meine Erfahrungen an junge Musikerinnen und Musiker weitergeben möchte. Sie kommen dann für Sessions zu mir und wir können auch über andere Bereiche sprechen, die über das Musikalische hinausgehen. Es soll eine Karriereberatung sein, bei der die jungen Geigenprofis ihren eigenen Weg finden können. Dazu gehört für mich auch, dass sie nicht ausbrennen, dass sie ihre Potenziale erkennen und ihre Passion behalten. Dass ich Digital Marketing gelernt habe und vom Fundraising über die Betreuung meiner Webseite und dem Schneiden meiner Videos alles selbst mache, hilft mir. Ich denke, junge Talente können von diesen Erfahrungen profitieren.

Der Rückblick zeigt Deine Vielfältigkeit. Was bringt die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass die Gartenkonzerte wachsen. Und viele spannende, lehrreiche Begegnungen mit Menschen und Musik. Manchmal stelle ich mir vor, wie ich spielend in den Himmel blicke – da ist diese Weite und man weiss nicht, was passieren wird. Das ist für mich ein schönes Bild.

Interview: S.A.

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Bilder und Text von Malwina Sosnowski zur Verfügung gestellt.